Seit die Vikings 2012 in eine AG umgewandelt wurden und im Jahr darauf an die Börse gingen, tauchen im Namenszug des Vereins keine Sponsoren mehr auf; gleiches gilt für die Raiders, die 2010 offiziell in den Konzern der Oakland Raiders eingegliedert wurden. Das Finale findet, wie in den letzten fünf Jahren, wieder im Vikingsdome-Ravellin, dem nach wie vor einzigen überdachten Footballstadion außerhalb der USA, statt. Der noch 2008 belächelte Standort neben einem Friedhof stellte sich als der genialste Schachzug aller genialen Coups des legendären Karl Wurms dar; nach anhaltenden Protesten von Anrainern und Medien über die regelmäßige Störung der Totenruhe blieb der Stadt Wien gar nichts mehr übrig, als auch noch den Bau einer Football-Arena zu finanzieren. Den Baukostenbeitrag von 3 Mio. Euro konnten die Vikings nach ihrem erfolgreichen Börsegang locker wegstecken.

Trotz der einzigartigen Location wird das Finale wohl wieder nur von einem eingeschworenen Kreis ewiger Footballfans live im Stadion verfolgt werden.

Seit ab 2011 an der Meisterschaft in der AFL mit Vikings und Raiders nur mehr 2 Vereine teilnehmen und diese in einer ‚Best of 10‘ Serie ausgespielt wird, ließ das Publikumsinteresse Jahr für Jahr nach; der von Raiders und Vikings gegründete Pay-TV-Sender ‚Austrian Touchdowns‘ tat das seine, um die letzten Fans aus den Stadien ins Wohnzimmer zurückzuholen.

Mit Wehmut erinnern sich manche an die Zeit, als sechs Mannschaften in der obersten Spielklasse um den Titel kämpften. Auch 2009 und 2010 herrschten mit der Teilnahme von Giants und Dragons im Verhältnis noch paradiesische Zustände. Während die Giants im Sommer 2010 freiwillig aus der AFL ausschieden, blieb den Dragons nach der Aufhebung der A-Klasse und der Amateurregeln durch den Verband und dem ‚Aufkauf‘ der halben Mannschaft durch Raiders und Vikings letztlich gar nichts anderes übrig. Während in der AFL die Meisterschaft als Duell ausgetragen wird, finden sich in der Division 1 nunmehr bereits 20 Teams, die in 4 Conferences um den Titel kämpfen; das Spielniveau ist zwar deutlich schlechter, der Spaßfaktor aber umso größer. Und die Anzahl der Zuschauer hält sich mit der AFL fast die Waage.

Ein utopisches Szenario oder die Zukunft?

Wer hätte es für möglich gehalten, dass von einer erstmaligen Präsentation der Vienna Ramblocks und American Football bei Vera Russwurm in der Jugendsendung ‚Okay‘ im Jahr 1981 nur knapp 25 Jahre vergehen müssen, bis das Finale einer Austrian Bowl live im ORF übertragen wird? Dass ein österreichischer Footballverein über ein modernes Trainingszentrum mit Kunstrasen verfügt, um welches ihn manche High School und manches College beneiden würde. Dass bei einem Spiel 5.000 und mehr begeisterte Fans anwesend sind; eine österreichische Mannschaft über Jahre die unangefochtene Nummer 1 Europas ist. Ja man kann wahrlich stolz auf diese Erfolge sein und sie beflügeln Verband und Vereine zu Recht, auch weiterhin nach den Sternen zu greifen. Um jeden Preis. Den Blick stets nach vorne gerichtet.

Quo usque tandem AFL – wie lange geht es noch?

Dabei müsste der Blick über die Schulter doch schon heute so manche Sorge auslösen. Österreich setzt neue Maßstäbe in Europa? Weit gefehlt, all das gab es bereits. Die erste europäische Football-Hausse fand bereits in den 80-iger Jahren – also vor 20 Jahren! – in Italien statt. Eine Fülle von Mannschaften, gesponsert von Firmen wie Armani (Seamen Milano), lokale Rivalitäten vom Feinsten (Bologna Warriors vs Bologna Doves), Hochglanz-Farbmagazine, die 14-tägig erschienen und an jedem Kiosk in Italien zu erwerben waren, regelmäßige TV-Berichte. 6000 Zuschauer beim Finale 1986 in Bologna; ich habe sie selbst gesehen, denn ich war dort. Selbst in dieser ‚Steinzeit‘ des Footballs gab es bereits ein ausuferndes Legionärswesen. Kluge Köpfe wollte es dadurch eindämmen, dass auf der Position des Quarterbacks nur mehr Italiener erlaubt waren. Was war die Folge? Die als RB aufgestellten US-Quaterbacks warfen nach Belieben legale halfbackpässe. Oder Deutschland Mitte der 90iger. Die Giants haben gegen Hamburg im HSV Stadion vor 13.000 Zuschauern (dreizehntausend) gespielt; rund um das Spiel ein gigantischer Gameday. Ähnlich Braunschweig 1998. Und heute?

Die italienischen Teams sind größtenteils ausgestorben, die wenigen kompetitiven hoffnungslos überaltert. Zuschauer und Spieler halten sich ziffernmäßig die Waage. Auch die deutschen Teams scheinen sich rückentwickelt zu haben, und das trotz der Promotionarbeit der NFLE. Was ist aus den Amsterdam Crusaders geworden, DEM aufstrebenden Team der 90-iger, was aus den Helsinki Roosters, DER nordischen Football-Macht der 80-iger Jahre? Wurden alle diese Teams einfach abgewirtschaftet, Football von lustlosen und zerstrittenen Funktionären beerdigt? Sind wir Österreicher um so viel geschickter und schaffen, was anderswo nicht gelingt? Oder MUSSTE ES SO KOMMEN, weil jeder künstliche Hype einmal endet und die Realität die Träume einholt?

Betrachtet man den Footballboom in Österreich kritisch, hat sich in an der Akzeptanz des Sports in den letzten 15 Jahren nicht wirklich etwas verändert.

Herr Österreicher kennt zwar nunmehr den Unterschied zwischen Rugby und Football, das war es aber auch schon. Die Anzahl der zahlenden Zuschauer bleibt nahezu konstant. Dass mit Freikarten, Besuchern -zusammengesetzt aus eigenen Mitgliedern und deren Familien, in Verbindung mit den mathematischen Rundungsregeln für mediale Zwecke laufend – unglaubliche Besucherzahlen geklont werden, darf nicht zur Selbsthypnose und Realitätsverweigerung führen. Ich behaupte, dass – ausgenommen in Wien – 1.000 echte zahlende Zuschauer die Obergrenze bei Saisonspielen in der AFL darstellt und diese Zahl selten erreicht wird. In der Austrian Bowl sind es natürlich deutlich mehr, allerdings glaube ich nicht, dass die Besucherzahlen seit den Finalserien in Rannersdorf (1994-1999) nennenswert gesteigert wurden. Absolut Top und wahrhaft großartig ist zweifellos das Engagement von Christopher D.Ryan und all jenen, die für AFL- crush und die vielen Fernsehübertragungen verantwortlich sind. Weltklasse. Aber wird Football in Österreich deshalb populärer? Sicherlich hilft diese Form der Präsentation Sponsoren zu gewinnen, deren Werbeagenturen ihre Entscheidungen an nackten TV-Statistiken orientieren. Die Übertragungen erfreuen auch die bestehende Footballfamilie. Aber wird Football deshalb wirklich etabliert? Ich muss das sehr bezweifeln.

Wie ist es möglich, dass es bis heute in Österreich – ausgenommen die ‚Familienmitglieder‘ – keinen Sportredakteur gibt, der sich in diesem Sport auch nur ein wenig auskennt oder echtes Interesse an sportlichen Fakten zeigt?

Heute wie gestern werden entweder Presseaussendungen abgekupfert oder eigene Kreationen auf Skurrilitäten beschränkt (‚Im Gepäck der 40 Riesen befinden sich 100 kg Bananen, 1000 m Tape und 600 Müsliriegel‘). Ich bin mir sicher, dass 50 Prozent der österreichischen Sportredakteure nicht in der Lage sind, die Footballregeln in den Grundzügen mit einfachen Worten zu erklären. Trotz 25 Jahren redlichen Mühens ist Football in Österreich von der Akzeptanz her selbst von anderen nordamerikanischen Sportarten wie Basketball und Eishockey meilenweit entfernt und positioniert sich trotz aller medialer Präsenz der letzten Zeit und mehreren tausend Zuschauern bei Finalspielen höchstens als König der Randsportarten. Traurig, aber immer noch besser, der Einäugige unter den Blinden zu sein. Es gibt in Österreich nämlich auch Kickbox-WELTMEISTER, die ihre Titel im kleinen Kreis von 25 Zuschauern bestehend aus Familie und Freunden erkämpfen. Warum ist das so? Ich lasse hier die Antwort offen, weil ich sie nicht kenne. Stattdessen möchte ich zum Ausgangsthema zurückkehren. Wie geht es weiter?

Es wird in den nächsten Jahren sicherlich dem einen oder anderen Verein der AFL gelingen, seine budgetäre Position noch zu verbessern.

Wer es noch immer nicht erkannt hat: Jugendarbeit hat primär nichts mit Nachwuchs für die Kampfmannschaft zu tun, sondern mit Geld und Leuten für die Organisation; bei einem – Verletzungsfreiheit vorausgesetzt – durchschnittlichen Haltbarkeitsdatum eines Spielers von 10 Jahren machen 8-Jährige als Stütze der Kampfmannschaft auch wenig Sinn. Schon aber zusätzliche Mitgliedsbeiträge, Fanartikel für den Opa, 5 weitere Saisonkarten, damit die Familie dann klein Klausi endlich live bewundern darf. Football-Landia pur. ‚Ein Foto von QB Miller gefällig? Mit Widmung 5 Euro und mit ihm und Klausi gemeinsam 10; beim Kauf einer Teamjacke ist es allerdings gratis dabei‘. Toll, aber inzestuös. In Wahrheit bewegt sich dadurch nämlich gar nichts, außer Euros.

Dazu kommt noch ein weiteres Problem. Das derzeitige sportliche Niveau an der Spitze der AFL lässt sich nur mit extremen Training und endlosen technischen Meetings, also einem massiven Zeitaufwand für die Spieler, erhalten.

Doch hier scheint mir die Grenze der Belastbarkeit überschritten. So gerne wir auch die Geschichte vom Footballer als reinen Amateur erzählen, muß klar sein, dass diese Story bei allem Enthusiasmus und aller Liebe zum Sport irgendwo enden muss. Für Spieler der unteren Divisionen wahrscheinlich unvorstellbar, investiert ein Spieler bei den Top 4 der AFL derzeit doch sicherlich TÄGLICH mehrere Stunden, um den erforderlichen Level zu erreichen und Starter zu bleiben. Nicht anders wie an einer High School oder einem College; bloß dass dort zur Freude am Sport eine bessere Ausbildung, vielleicht eine Profikarriere, zumindest aber soziale Anerkennung und Reputation winkt. Der österreichische Spieler hingegen zahlt hunderte Euros für sein Hobby und vernachlässigt Studium, Beruf und Familie. Als maximale Belohnung wartet der österreichische Staatsmeistertitel, im besten Fall ein Eurobowl-Titel und die Gewissheit, dass jedes x-beliebige zweitklassiges College die eigene Mannschaft 50:0 vom Feld schießt.

Die Lösung des Problems ist offensichtlich: Sehr bald wird der erste Verein, der es sich leisten kann, zuerst für Spieler der Kampfmannschaft den Mitgliedsbeitrag abschaffen (zahlen halt die anderen Mitglieder mehr) und dann wird der Spesenersatz eingeführt. 300 Euro pro Mann und Monat, macht 50 x 300 x 12 = 180.000 Euro. Mit Geduld und Spucke wird sich auch das einmal finanzieren lassen. Von einigen Vereinen. Einigen wenigen. Der Rest wird nicht mithalten können, nicht mithalten wollen. Das finanzielle Risiko wird zu groß. Ehrenamtlich kostbare Lebenszeit einbringen, ok. Aber für das Hobby anderer als Vorstand die persönliche Haftung übernehmen, die Verfolgung von Sozialversicherern, Finanz und Gerichten riskieren, nur um noch einmal ganz oben mitspielen zu können? Sicher nicht. Und dann sind wir auch schon beim Jahr 2016.

Nur wenige werden mit dem derzeitigen Tempo der sportlichen und finanziellen Entwicklung Schritt halten können.

Zuerst werden es noch 5 sein, dann 4 usw. Und was wäre die Alternative? Gibt es überhaupt eine? In Innsbruck und Wien wahrscheinlich nicht; hier hat Business längst mit Sport gleichgezogen. Der Rest wäre wahrscheinlich dankbar, wenn man etwas zurückschaltet, auf den Boden der Realität zurückkommt. Das wird aber nicht gelingen. Leider. Und so ist der Ausgang der Geschichte absehbar. Schade, denn Football ist und bleibt die beste Sportart der Welt, oder mit den Worten von Deacon Jones aus ‚Crunch Course‘ .…..NOTHING LEFT BUT A BLEEDING HEART.
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Dr.Stefan Herdey hat im Jahr 1981 die Graz Giants gegründet und bis 2005 als Präsident geführt. Daneben war er ein Jahrzehnt Vizepräsident des AFBÖ und Mitglied des Strafsenates. Als Spieler startete die # 66 der Giants in seiner 18-jährigen Karriere in jedem der insgesamt 189 Spiele und gewann mit den Giants neun Meistertitel. Dr.Herdey ist Mitglied der Hall of Fame des österreichischen Footballs.

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