Vor dem Duell Raiders vs. Adler am Tivoli sprach Jason Galanos mit Coach Breddermann über das Monsterprogramm der Adler, der Stagnation im deutschen Football und der Deutsche fragt sich, warum es keine Ösi-Coaches in der AFL gibt.
Adler oder Freibeuter, GFL oder AFL, Österreich oder Deutschland?
Eine Rivalität die vor allem von Österreich gepflegt wird. In Deutschland sieht man jene Rivalität etwas entspannter, wie wohl die Erfolge der Österreicher in den letzten Jahre mehr als nur registriert werden. Einerseits wird die Operettenliga aufgrund Ihrer ständig wechselnden Modi, sowie deren Kleinheit belächelt, anderseits werden die Entwicklungen der österreichischen Spitzenteams als Wegzeiger für die Entwicklung in Deutschland gesehen. Mit Spannung wird auf das Spiel der Adler gegen die Freibeuter gewartet, viel Respekt dem Team aus den Bergen gezollt.
Wer allerdings meint, dass der ‚Hauptstadtstolz‘ mit gestrichen Hosen mehr als 800km in den Süden gondelt der irrt. Die Adler kommen um zu gewinnen, der Kicker wird extra aus Spanien (er studiert dort) eingeflogen, die Mission ‚Europa‘ mehr als nur ernst genommen – und die Chancen das Finale zu erreichen sind  aus Sicht der Adler mit 50:50 gegeben.
Jason Galanos hatte Gelegenheit das Spiel der Adler gegen Braunschweig vor Ort zu verfolgen. Die Adler haben das Spiel nach anfänglichen Schwierigkeiten knapp mit 20:17 gewonnen.
Zum Interview war Thomas Breddermann, aktuell DL Coach bei den Adlern geladen, ein deutsches Football Urgestein und ein Footballfanatiker, der den deutschen Football als ehemaliger Spieler und Coach in- und auswendig kennt. So war er bereits 1998 in der wohl schwersten Saison der Adler Head Coach (übrigens auch Jason Galanos‘ aktives Jahr in der deutschen Hauptstadt), lange Jahre Head Coach der Frankfurt Red Cocks und hat vor zwei Jahren wieder seinen Platz bei den Berlin Adlern gefunden.
JG: Coach Breddermann, wie war das Spiel heute?
CB: Sehr anstrengend, wir hatten ziemlich viel Arbeit an der Seitenlinie, viele Ersatzspieler für verletzte Starter einspringen mussten. Da musste man erst gucken, was man für Möglichkeiten hat, was der Gegner tut, was wir machen können.
Seit ihr zufrieden mit der Entwicklung? Ihr habt ja ein ziemliches Monsterprogramm hinter euch und ein entsprechendes vor euch.
Ja, wir hatten die Meisterrunde hinter uns schwedischer, finnischer, Südmeister, deutscher Rekordmeister, Meister, deutscher Vizemeister, dann den Eurobowl Sieger. Wenn man sich das anguckt, sind wir ganz gut dabei, das ist eine Vorwärtsentwicklung. Die Imports fügen sich sehr gut ein. Die Offense Line hat sich sehr gut entwickelt, trotz einiger ausfälle in der Starting Unit. Unser Offense Bereich ist wesentlich konstanter als im letzten Jahr. Das einzige was Sorgen bereitet, ist die physische Belastung.
Und jetzt folgen eine Reihe an Auswärtsspielen, wie Dresden, Tirol, Kiel und dann wieder Braunschweig. Das ist dann jetzt die Mördertour. Meistertour und Mörderrunde. Es gibt zur Zeit kaum ein Team, was so viele Kilometer in der kurzen Zeit gefahren ist. Und das wirkt sich stark auf die Physis aus. Nach dem Helsinki Spiel auf hartem Kunstrasen, waren wir nachher leer und sind sprichwörtlich auf dem Schlauch gestanden. Beim Training ging dann erst mal gar nichts mehr, worauf wir es angepasst haben. Somit ist die Motivation wieder gestiegen. Bei den Spielen wirkt sich das so aus, dass wir gegen ende der Spiele noch immer in der Lage sind einen Zacken zuzulegen. Das und die Kadertiefe, wo wir immer wieder Leute austauschen oder ersetzen können, sind die Stärken der Adler in diesem Jahr.
Gilt das für Offense und Defense, oder gibt es auch Positionen wo die Decke nicht so dick ist?
Imports kann man nicht ersetzen, aber sonst ist der Kader eigentlich okay. Gerade in der Offense Line haben wir viele Verletzte, die wir sehr gut ersetzen haben können. Wir ernten jetzt die Früchte von der Recruiting Politik, welcher unser Head Coach Shuan Fatah sehr gut macht.
Jetzt bist Du ja schon seit Ewigkeiten im deutschen Footballgeschehen dabei. Wie siehst Du die Entwicklung des deutschen Footballs beziehungsweise der GFL in den letzten 15 Jahren?
Ich würde da jetzt nicht unbedingt von Entwicklung sprechen. Es ist mehr eine Stagnation, zwar auf hohem Niveau, aber eben eine Stagnation. Es fehlt die Explosion nach oben, organisatorisch als auch spielerisch. Es kommen zwar immer wieder einige hervorragende Spieler nach aber das reicht nicht. Ebenso erreichen wir nicht mehr die Zuschauerzahlen von früher, es gibt zwar Spiele mit 4000, 5000 Zuschauern, aber weniger als früher.
Das mit den Zuschauerzahlen ist evident, findest Du, dass sich das auch auf die Qualität des deutschen Footballs auswirkt?
Es ist keine Entwicklung passiert, weder nach vor- oder rückwärts. Ich denke schon, dass sich die Teams welche heute oben mitspielen mit denen von früher messen können – wobei sich dass ja bekanntlich recht schwer beweisen lässt. Was man schon sagen muss, dass der Football breiter geworden ist, was man zum Beispiel sehr gut am Beispiel in Hall sieht. Aber wie gesagt der Spitzenfootball ist gleich geblieben.
Verfolgst Du auch den internationalen Football, bzw. hast du da einen Einblick?
Was ich mir angucke ist Raiders TV. Es stellt sich oft die Frage: Was macht die Qualität des österreichischen Footballs aus. Man frotzelt zwar bei uns ein wenig über den österreichischen Football herum, aber wenn man Football ernst nimmt, dann schaut man sich das an. Wenn man Meister ist, dann versucht man sich natürlich nach dem Bestpractice Prinzip anzugucken, was die anders machen, und was man davon übernehmen kann. Es gibt viele Dinge die man sich in Österreich ansehen kann. Interessant dabei ist das finanzielle, denn Österreich leistet sich so viele gute Spieler, dass man sich fragt wie die das machen. Des weiteren ist stark zu beobachten wie viele amerikanische Coaches österreichische Spieler trainieren. So wirkt sich das zwar kurzfristig auf das Leistungsvermögen der Klubs aus, was ich mich aber Frage ist: Gibt es keine österreichischen Coaches? Denn wenn wir den Vergleich der Entwicklung ziehen und ich mir ansehe was da in Deutschland mittlerweile möglich ist, dann weiß ich nicht ob sich Österreich dahingehend besser entwickelt. Die Coaches sind schließlich jene, die den Football in die Breite bringen. Wobei ich da keinen tiefen Einblick habe und das mehr einem Gefühl und den Beobachtungen aus der AFL hervorgeht.
Weiters kenne ich den europäischen Football eigentlich nur aus den Scoutingvideos. Ich kann mir vorstellen, dass Football sich soweit in Europa etabliert, dass die ersten Ligen in kleinen Stadien vor 3000 Zusehern spielen und so eine gewisse Breite und Stabilität haben. Die Idee der Europaliga kann ich mir zur Zeit nicht vorstellen.
Stichwort Österreich. Wie siehst Du die Entwicklung in Österreich – die Adler hatten ja einige Berührungspunkte mit österreichischen Klubs?
Österreich hat mehr aus seinen Möglichkeiten gemacht als Deutschland. Ich glaube auch dass es in Österreich mehr Freiräume im Sport gibt als in Deutschland. Der Fußball ist da ja eher bescheiden im Vergleich zu Deutschland. Österreich stellt mit Sicherheit sehr starke Spieler, es ist aber nicht so, dass diese allesamt überragend sind und man jetzt Angst haben müsste. Die Frage ist wie das ganze in Österreich weitergeht. Das Fernsehen ist meines Wissens ja ausgestiegen – und man wird sehen ob da jetzt ein langsamer Rückschritt eintritt oder ob es noch weiter nach oben geht. Wenn Österreich es schafft sich noch weiter zu entwickeln, dann wird das Ganze richtig interessant. Wir schwärmen ja hier von Strukturen die in Österreich teilweise vorhanden sind, schon alleine die Vorstellung drei bis fünf Fulltimecoaches zu haben und man dann das mit den Möglichkeiten hier vergleicht, dann ist dass schon sehr toll.

Wie schätzt Du die Chancen der Adler gegen Tirol ein?
Wir fahren nach Tirol um zu gewinnen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Chancen haben. Es wird für beide Mannschaften ein sehr hartes Spiel werden, aber dass sind eben genau jene Spiele auf die wir uns Freuen. Wenn man Spiele gegen schwache Gegner gewinnt, dann kann man nur wenig stolz sein. Aber sich gegen starke Gegner zu präsentieren und vielleicht zu gewinnen, dass ist das was Spass macht und worauf man auch Stolz sein kann. Dazu kommt noch Österreich gegen Deutschland, was man auch immer im Hinterkopf hat, im Spiel selber zwar wenig Bedeutung hat, aber bei der elf Stunden langen Heimreise mit dem Bus sich erst richtig bemerkbar macht. Wenn man da gewonnen hat, was meinst du was dann da los ist.
Was hat die Eurobowl bei Euch für einen Stellenwert – ganz offen gesprochen?
Im Ernst? In den letzten Jahren haben wir dem ganzen Unterfangen nicht viel beigemessen, in diesem Jahr allerdings haben wir soviel auf uns genommen – jetzt wollen wir die Euro Bowl auch endlich gewinnen. Die ewigen internen deutschen Diskussionen der letzten Jahre, mit Österreich ist so stark und Deutschland hinkt hinterher, das hat sich aufgebaut und aufgestaut. Wir wollen den Titel haben. Deswegen ist es auch sehr ärgerlich dass wir das Stadion am Samstag nicht zur Verfügung bekommen – weil Pink kommt – und dann am Sonntag um 14 Uhr spielen – was ist das eigentlich für eine Zeit? (Coach lacht mit einem zwinkernden Auge).
Eine Idee warum andere deutsche Teams das nicht so sehen, bzw. den Euro Bowl nicht spielen wollen?
Das ganze ist ein sehr großer organisatorischer und finanzieller Aufwand. Wenn man ein Produkt hat, dass sich nicht verkauft, dann fällt es halt schwer sich wirklich dafür zu begeistern. Und die Eurobowl lässt sich bisweilen nur schwer verkaufen. Wenn man sich da auch die österreichische AFL anschaut, dann wird es vermutlich bald ähnliche Probleme geben. Als Aussenstehender wirkt es schon sehr komisch, jedes Jahr ein neuer Modus, dann nur vier oder fünf Mannschaften mit irgend einer Zwischenliga, man liest, dass sich eine Mannschaft mitten in der Saison auflöst, bzw. ein Headcoach wegen einer Tätlichkeit gesperrt ist. Da fragt man sich dann schon – Mensch, was ist denn da in Österreich los? So jetzt habe ich den Faden verloren, was war die Frage nochmal?
Warum andere deutsche Teams den Eurobowl nicht spielen wollen – unabhängig von den Finanzen.
Ganz einfach, es ist eine immense Belastung. Wir spielen in der GFL hin- und Rückrunde, fahren da schon alleine zig Kilometer. Mit der Euro Bowl wird das noch erheblich mehr. Jedes Wochenende ein Match, mit den Fahrgeld die wir verfahren, kaufen sich andere Mannschaften Spieler. Gerade Teams mit kleineren Kadern oder Einzugspotential können sich das schlicht und ergreifend einfach nicht leisten.
Dein Tipp für das Spiel gegen die Raiders?
Wir gewinnen. Knapp aber wir gewinnen.

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