60-59-2. Dieser Zahlencode entspricht den bisherigen Begegnungen der beiden Teams aus der NFC West. Die San Francisco 49ers haben also bei 121 direkten Duellen gerade einen Sieg mehr als die St. Louis Rams erreicht. Dass sie vorne sind, verdanken sie den letzten beiden Saisonen. 2008 und 2009 waren sie Mitschuld an den Seuchenjahren der Rams und gewannen vier Spiele in Folge. Ebenso viele Siege haben die Gäste aus Missouri in dieser Saison bereits erreicht und damit schon mehr als in den beiden Jahren zuvor gemeinsam. Das Team von Steve Spagnuolo überrascht – zumindest uns – ein ums andere Mal und hält nach neun Runden den besten Record in ihrer Division. Mit einem .500 Record Division Leader zu sein, spricht so gar nicht für die Konkurrenz. Der Ruf als schlechteste Division der NFL wird also brav bestätigt.
Das Team mit dem First Overall Pick im 2010 Draft hat sich bisher äußerst wacker geschlagen. Abgesehen von der Niederlage gegen Detroit waren alle Spiele in Reichweite und wurden mit vier, zwei beziehungsweise einen Punkt Unterschied verloren. Die Offense um Sam Bradford ist zwar nicht die Greatest Show on Turf von anno dazumal, aber der Rookie bewegt den Ball übers Feld. Er verteilt die Touchdown-Pässe gerecht auf bereits acht verschiedene Spieler, aber seine 5,7 Yards pro Passversuch sind natürlich verbesserungswürdig. Als Kernstück und gefährlichste Waffe der Rams identifiziert ist Steven Jackson auch diese Saison wieder einer der besten Running Backs der Liga. Seine 676 Rushing Yards sind Top 10 der NFL, im Vergleich zu Arian Fosters neun Rushing Touchdowns hat er aber nur zwei. Damit ist er innerhalb des Teams in guter Gesellschaft, denn kein Wide Receiver oder Tight End hat mehr als zwei Pässe in der Endzone gefangen. Der heißeste Kandidat war die Akquisition Mark Clayton, aber das Team muss auf ihn dank einer Verletzung für den Rest der Saison verzichten. Seinen Platz hat Danny Amendola eingenommen und bereits 45 Pässe gefangen, allerdings nur für 379 Yards und zwei Touchdowns. Die ganze Offense hat bisher für 14 Touchdowns gesorgt und befindet sich damit im unteren Drittel der Liga.
Im Gegenzug haben die St. Louis Rams aber nur 13 Touchdowns erhalten. Das zeigt wieder, wie eng die bisherigen Partien waren. An vorderster Front der Defense sorgen die Defensive Ends James Hall und Chris Long für Druck auf den gegnerischen Quarterback und haben bereits 6,5 respektive 4,5 Sacks verbucht. Im Linebacking-Corps stopft James Laurinaitis die Löcher, die seine Kollegen doch ab und zu offen lassen. So wie der Linebacker zeigt sich die gesamte Defense der Rams bis dato aber sehr ausgeglichen. Weder gegen den Run noch gegen den Pass gibt es große Ups and Downs. Die Secondary zeigt sich nahezu stabil, der große Game Changer fehlt aber. Sowohl Safety O.J. Atogwe als auch der Cornerback Bradley Fletcher stehen bei zwei Interceptions. Das klingt alles mittelmäßig. Vor der Saison hätte man das als Lob aufgefasst. Jetzt sieht man es wohl ein wenig anders in St. Louis.
Alles anders – nicht in San Francisco. Die 49ers sehen auch nach dem Arbeitssieg in London wie das Team aus dem Jahr 2005 aus. Baustellen hüben wie drüben. Und: die größte Baustelle sind wirklich die beiden Positionen, die schon in der Offseason als solche erachtet wurden. Etatmäßiger Starter Alex Smith hat sich bekanntermaßen verletzt und Troy Smith zeigte seine Fähigkeiten als Quarterback. Die längste Zeit sah das in London sehr verhalten aus. Als die Niners aber in Rückstand gerieten, vertraute man dem kleinsten Spieler am Feld und der hielt einige Plays durch seine Athletik am Leben. Der eine spielentscheidende Pass an die gegnerische 1, der von Backup Tight End Delanie Walker gefangen wurde, hätte genauso von den Pro Bowlern Champ Bailey und Brian Dawkins gefangen werden können. Ist er aber nicht, und deshalb ruht jetzt wirklich viel Hoffnung auf den Schultern des proklamierten neuen Leaders. Der gab übrigens brav den verdienten Game Ball gleich an seine OLine weiter. Vielleicht hätte er auch Frank Gore einen Ball überreichen sollen. Die Stats sowie die Situation des Running Backs lesen sich quasi gleich wie die seines Gegenübers. Seine Formkurve zeigt nach oben, er wird wieder die personifizierte Offense der 49ers sein und die Rams werden ihn mit acht Mann in der Box erwarten. Als Antwort und Lösung erhofft man sich nach der Performance von Walker und der Rückkehr von Vernon Davis die Formation, die auch letztes Jahr den Umschwung bewirkt hat: 2 WR, 2 TE und nur 1 RB. Mit einem Fullback ist die Offense vorhersehbar wie keine andere. Lauf durch die Mitte in 70 Prozent der Fälle, das machen sonst nur die Jaguars so häufig. Dementsprechend wenig feuerwerksartig war die Offense in den bisherigen Spielen. Dass die Leistung in London eine der besten heuer war, sagt alles. Dazu passend: Wide Receiver Josh Morgan besticht mehr durch sein Run Blocking als durch seine Catches. Zur Verteidigung sei gesagt: Seit Offensive Coordinator Mike Johnson das Playcalling übernommen hat, gibt es sehr kleine aber stetige Entwicklung zum Besseren.
Stetig wie kein anderer ist Justin Smith, der Defensive End. Er ist nach wie vor einer der unsung heroes der Liga. Kein anderer im Team übt so konsequent Druck auf den Quarterback aus. Er führt das Team folgerichtig mit vier Sacks an. Hinter ihm gibt es vier Outside Linebacker, die sich Spielzeit teilen und sich als Pass Rusher üben. Manny Lawson ist im letzten Jahr seines Vertrages und spielt schön langsam auch so. Seine Interception gegen die Oakland Raiders war wohl der schönste Catch eines 49ers in diesem Spiel. Gegen Denver war er aggressiv wie nie – das dankte ihm die NFL mit einer Strafe. Den Hit an Kyle Orton möge sich die geneigte Leserin und der geneigte Leser ansehen und selbst urteilen. Nach Mike Singletarys Geschmack war es jedenfalls. In der Mitte stehen die bewährten Takeo Spikes und Patrick Willis. Letzterer erlaubt die ganze Saison schon ‚Sudern auf hohem Niveau‘. Willis spielt – sagen wir es vorsichtig – unter seinen Möglichkeiten. Das haben wir schon besser von ihm gesehen. Ähnliches lässt sich von der Secondary sagen. Woche für Woche sehen alle Spieler dieser Unit bei einzelnen Plays wie Rookies aus. Taylor Mays darf das. 80 Millionen Dollar Mann Nate Clements nicht. Dashon Goldson, die Defensiv-Hoffnung des letzten Jahres, steht immer mehr in der Kritik. Der selbsttitulierte Ballhawk hat noch keinen Turnover erzeugt. Unser einer würde sich schon freuen, wenn er seine Coverage-Assignments öfter einhalten würde.
Die Paarung ist der Beginn der entscheidenden Phase der NFC West. Die 49ers haben erst eine der sechs Partien in der Division bestritten, die Rams ganze zwei. San Francisco ist im Moment zwar Letzter, hat aber nur zwei Siege Rückstand und kann realistisch noch die Division gewinnen. Die letzten beiden Jahre hatten sie die Partien innerhalb der Division nahezu im Griff. Derzeit haben die Rams die Krone inne und sind nach den gezeigten Leistungen verdientermaßen Favorit diese zu behalten. Nur auf den ersten Blick sieht die Partie also belanglos und nicht entscheidend aus, genauer hinschauen lohnt sich.
NFL Sunday Night Football auf PULS 4 LIVE
San Francsico 49ers vs. St. Louis Rams
14. November 10 | 22:00 MEZ
Candlestick Park | San Francisco CA
Kommentatoren: Walter Reiterer & Michael Eschlböck