Gerwin Wichmann über Legionäre, Oakland, Fantasy Football und die Twilight Zone.

Ähnlich den Raiffeisen Vikings, die mit Josiah Cravalho zumindest noch an einem Import von insgesamt acht der letzten Saison festhalten (Michael Dawodu, Luke Atwood, Steve Levy, Stephone Robinson, Mike Salerno, Mike Watts und Clinton Graham sagten oder mussten by bye sagen), gaben die Tiroler gleich allen ihrer sechs Legionäre (Will Galusha, Marko Glavic, Ryan Voss, James Ellingson, Tyler Felber und Gonzalo Segovia) nun den Laufpass.

Und die Trennung lief, so Raiders & auch AFBÖ-Vize-Präsident Gerwin Wichmann, alles andere als einvernehmlich ab.

‚Es zeichnete sich schon vor zwei Monaten bei den ersten Verhandlungen ab, dass es mit den Leuten ganz schwierig werden wird‘, erklärt Wichmann, der aber an sich gerne an so manchem Spielern des letzten Jahres festgehalten hätte, aber: ‚Nach zwei, drei Jahren stellen Spieler aber finanzielle Ansprüche, die wir als Verein nicht nur nicht erfüllen wollen, sondern einfach auch nicht können. Sie sagen uns, dass sie die Euro Bowl für den Verein geholt haben und dafür hätten sie nun gerne mehr Geld. Dazu kommt das Wissen, dass es nur mehr vier Legionäre geben wird. Der Gedanke, dass das Gehalt der zwei eingesparten Legionäre sich auf jenes der übrigen vier aufteilen wird, ist ein Irrtum. Wir werden hier sparen und nicht aufteilen. Das haben wir auch klar gesagt.‘

Das traf die Herren Glavic & Co wie ein Blitz und ebenso blitzartig waren sie weg. Glavic wird vermutlich bei den Zürich Renegades seine neue Heimat finden. ‚Falls dem so ist, dann freut es mich ehrlich für ihn‘, sagt Wichmann. ‚Marko hat viel für uns getan, aber wir haben unseren Imports auch nicht gerade das schlechteste Umfeld in Innsbruck geboten. Wenn jemand wo anders glücklicher wird, dann soll er bitte dahin gehen. Die Swarco Raiders spielen sicher nicht bei einem Gehaltspoker mit. Wir haben unsere Linie, der wir treu bleiben.‘

Kein Grund zur Panik
Wichmann sieht die Situation sehr entspannt. Es gäbe genug gute Legionäre, die sich anbieten würden, die Raiders hätten dabei eher die ‚Qual der Wahl‘ als einen ‚Notstand‘. ‚Gute bis sehr gute US-Spieler gibt es wirklich genug am Markt‘, so Wichmann weiter. ‚Wir müssen lediglich schauen, welche gut zu uns passen und uns auch genau ansehen, wer diese Leute sind. Wir hatten in letzter Zeit ein sehr gutes Händchen was das betrifft. Die Legionäre der letzten Jahre waren allesamt menschlich in Ordnung. Dass wir uns jetzt in finanziellen Dingen nicht einig werden, das ist halt einfach so.‘

Oakland ist noch nicht Tirol
Dass in Innsbruck plötzlich Spieler des Kooperationspartners Oakland Raiders aufschlagen könnten, sieht Wichmann (noch) nicht. ‚Das wäre zu schön, um wahr zu sein‘, so der 40-jährige Swarco-Manager. ‚So weit sind wir aber noch lange nicht. Ich kann insofern also beruhigen: JaMarcus Russell und Darren McFadden werden 2009 leider nicht bei uns spielen (…lacht). Auch keine Spieler des practice squads der Oakland Raiders. Es wird viel nüchterner und unspektakulärer kommen. Unsere Imports 2009 werden zwar besser als jene von 2008 sein, aber nicht aus dem NFL-Umfeld kommen.‘

Die Namen der Neuzugänge wird man im Frühjahr 2009 bekannt geben. Derzeit werden einige Spieler getestet.

Fantasie muss man haben
Als Fantasy-Football-Spieler hatte Wichmann McFadden im Frühherbst in seinem Team und sagt dazu: ‚Ich habe ihn nach drei Runden hochkant raus geschmissen (…lacht). Das hätte ich bei den Swarco Raiders wohl mit ziemlicher Sicherheit nicht mit ihm getan‘.

Die globale Raiders-Community
‚Die Oakland Raiders sind ein Glücksfall für uns als Verein. Sie behandeln uns wie man einen Partner behandeln sollte – gleichberechtigt, obwohl wir nur ein kleines Licht im Vergleich zu ihnen sind. Wir lernen von ihnen irrsinnig viel, hatten auch mehrmals die Gelegenheit vor Ort Erfahrungen zu sammeln. Ohne abgehoben wirken zu wollen: ein ganz klein wenig lernen sie auch von uns. Wir sind ein Verein an der Basis, mit ein paar tausend Fans. Wir können ihnen Dinge verraten, die sie schon lange vergessen haben, aber deshalb nicht unwichtig sind. Die Oakland Raiders wollen als Verein global auftreten – es geht hier um eine weltweite Community‘, stellt Wichmann zu Verhältnis Raiders.at zu Raiders.com fest.

Demokratie, koste es was es wolle
Die hiesige Regelung mit der ‚Twilight Zone‘ ist Wichmann ebenso ein Dorn im Auge, wie die Division 2 mit zehn Teams. Trotzdem akzeptiert er beides. ‚Ich stelle keinen Anspruch auf die einzig alleinige Wahrheit‘, sagt Wichmann dazu. ‚Wir haben im Verband eine Demokratie und die ist nach einer Diskussion zu diesem Ergebnis gekommen. Ich mache ja keinen Hehl daraus, dass ich das für nicht besonders zielführend halte, aber ebenso akzeptiere ich, dass die Mehrheit anderer Meinung war. Ich bin gespannt, wie das werden wird. Schauen wir uns es einfach an und urteilen wir danach neu darüber.‘

Retourkutschen und Einsehen
Nach der letzten Ligasitzung gab es Stimmen, die den Ausgang selbiger als persönlichen Racheakt an Wichmann sahen. Der Tiroler sieht das aber nicht.

‚Sollte sich nach der kommenden Saison herausstellen, dass dieses System gut für den Sport ist, dann werde ich keine Sekunde zögern zu sagen, dass ich mit meiner Einschätzung falsch lag und wir auf dem Weg weiter machen sollen. Das kann durchaus auch so sein. Ich habe die Weisheit ja nicht gepachtet. Sollte dem aber nicht so sein, dann werden wir uns aber ganz konkret darüber unterhalten müssen, wie es nun wirklich weiter gehen soll. Dann wird mein Verständnis für die Sache auch ein Ende haben‘, so Wichmann, der im übrigen vom zweiten AFBÖ-Vize-Präsident Karl Wurm nach dessen (Wurms) Aussage ‚Hände ringend‘ darum gebeten wurde, im Vorstand des Verbandes zu bleiben.

Die Frage, für wen die ‚Twilight Zone‘ nun einen konkreten Nutzen hat, ist insofern interessant, als einer der vermeintlich großen Nutznießer, die Cineplexx Blue Devils, diese nun gar als ‚massives handicap‘ für sie qualifiziert haben. Wichmann widerspricht der Darstellung der Vorarlberger. Die ‚Twilight Zone‘ wäre u. a. von Hohenhems und ihren Präsidenten Christoph Piringer forciert und genau für sie auch eingeführt worden. ‚Damit sie noch die Möglichkeit haben, in der AFL mitspielen zu können‘, so Wichmann. ‚Sollten sie jetzt der Meinung sein, dass sie das ja eigentlich gar nicht haben wollten, dann muss man sich ernsthaft die Frage stellen, wer es eigentlich wollte, wenn nicht sie…‘

Auch AFBÖ-Präsident Michael Eschlböck machte nach der Ligasitzung klar, dass die ‚Twilight Zone‘ nichts anderes als eine ‚Verbeugung, wenn nicht Verbiegung‘ bzw. ‚der kleinste gemeinsame Nenner zu Gunsten der Blue Devils und Black Lions‘ gewesen sei. Dass die Devils diese Lösung nun als von ihnen gar nicht gewollt darstellen, ist ein Treppenwitz. Wer, wenn nicht sie? Devils-Präsident Christoph Piringer sagte zuletzt, dass er gar versucht habe ‚allen diesen völligen Schwachsinn auszureden‘. Das ist zumindest interessant.

Womit, wenn das so ist, die Ligasitzung schlussendlich ein System beschlossen hat, welches eine klare Mehrheit – zumindest nach der Darstellung – nie wollte…

Oder man hat sich selbst nicht mehr zugehört.

Herr Wichmann kann jedenfalls lächeln und 2009 völlig gelassen entgegen blicken.
In mehrfacher Hinsicht.

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