Vielleicht kann man die Patriots-Dominanz primär daran festmachen, dass der Konkurrenz, Jets, Dolphins und den Buffalo Bills seit gefühlten Ewigkeiten kein dauerhafter Glücksgriff mehr bei Quarterbacks gelungen ist.

New England Patriots

Den Patriots ist so einer gelungen – ein Glücksgriff im wahrsten Sinne des Wortes. Quarterback Tom Brady, der den American Dream vom Wasserträger aus der sechsten Runde zum Superstar als dreifacher Superbowl-Champ und zweifacher NFL-MVP schaffte, ist seit einem Jahrzehnt integraler Bestandteil des Patriots-Angriffs und gehört mittlerweile zu den Allzeitgrößen auf der QB-Position.
Man sollte jedoch nicht den Fehler machen, New Englands Offense auf Brady zu reduzieren. Brady kann diese Offense zwar innerhalb von Sekunden mit rattenscharfen Bällen zum entscheidenden Drive das Feld hinuntertreiben, aber er hat auch die entsprechenden Waffen zur Verfügung. 
Das TE-Combo Rob Gronkowski/Aaron Hernandez sorgt seit zwei Jahren für mächtig Wirbel und schlecht schlafende Defensive Coordinators, weil beide Athleten so vielseitig und kräftig sind, dass sie mit herkömmlichen Methoden kaum unter Kontrolle zu bringen sind. Dazu gesellen sich mit WR Wes Welker ein kleiner, weißer Irrwisch, dessen Qualitäten als nie aufsteckender Kämpfer in einer Kurzpassorgie wie jener der Patriots richtig zum Tragen kommen, sowie der neu geholte WR Brandon Lloyd, ein Lieblingsschüler des ebenso neuen, alten, zurückgekehrten OffCoords Josh McDaniels. Überhaupt McDaniels: Als dieser irgendwann zwischen 2006 und 2007 das Zepter in New Englands Angriff übernommen hatte, war dieser einst quasi über Nacht von „stark“ zu „tödlich“ mutiert. Jetzt ist es nach mehr oder minder schlechten Intermezzi in Denver und St Louis wieder zuhause.
Über das Laufspiel sollte man nicht allzu viele Worte verlieren: Die jungen Shaun Vereen und Stevan Ridley haben noch nicht allzu viel zeigen müssen, der alternde 3rd down-Back Kevin Faulk ist mittlerweile in Rente, und überhaupt wird das Laufspiel nur noch zum Verschnaufen eingesetzt. Dabei wäre New Englands Offensive Line eigentlich trotz jüngster Rücktritte von Matt Light und Robert Gallery stark: Das Tackle-Duo Nate Solder/Sebastian Vollmer ist minimum grundsolide (der Deutsche Vollmer wurde letzte Woche von der PUP-Liste genommen und ist somit sofort spielberechtigt), G Logan Mankins gehört an guten Tagen auch zu den besseren und C Dan Koppen hat in den letzten paar Jahrzehnten in der NFL auch schon so einiges erlebt.
Sprechen wir über das Sorgenkind in New England, sprechen wir über die Defense. Es entbehrt nicht einer gewissen Unlogik, dass es sich dabei ausgerechnet um die Unit des gemeinhin als Großhirn verschrieenen Bill Belichick handelt, jenes Head Coaches, der sich über lange Dekaden hinweg den Ruf eines ebenso eigenwilligen wie genialen Kreativkopfes gemacht hat und den nichts und keine neue Entwicklung überraschen kann. So sehr New Englands Erfolge im letzten Jahrzehnt Belichicks Verdienst sind, so sehr hat ausgerechnet Belichicks liebstes Kind – die Abwehr – abgewirtschaftet.
Nach mehreren verunglückten Drafts versuchte sich Belichick in der jüngsten Offseason erstmals wieder darin, Defensivspieler in den obersten Runden des Drafts einzuberufen. Herausgekommen sind dabei: DE Chandler Jones von Syracuse, LB Dont’a Hightower von Alabama – zwei wunderbare, vielseitige Talente, mit denen Belichick, der Freund des „totalen Football“ (mit Grüßen nach Holland), seine hellste Freunde haben dürfte.
Die Patriots-Defense muss nicht zu den fünf besten gehören, dafür ist die Offense zu stark. Sie muss aber verhindern, dass die Offense in jedem Spiel 30 Punkte auf das Tablett legen muss. Das schaffte sie in den vergangenen Jahren trotz lauwarmem Passrush meistens, weil sie gut getimte Interceptions provozierte – ein Rezept, das nicht zu den nachhaltigsten gehört. Daher versuchte Belichick nach den Abgängen von zwei seiner besten Pass Rusher, DE Mark Anderson und DE Andre Carter, frisches Blut mit Jones und Hightower reinzupumpen.
Die Front-Seven mit ihren Starspielern DT Vince Wilfork und MLB Jerod Mayo (plus eventuell die beiden Rookies) wird wie immer unter Belichick über den Weg der vielen verschiedenen Formationen versuchen, Druck zu schaffen, und vertraut sich im Defensive Backfield Material wie den jungen CB Devin McCourty, CB Ras-I „Injury“ Dowling sowie Safetys wie Pat Chung oder James Ihedigbo an – in den letzten Jahren trollten sich in der blanken Personalnot dort auch Backup-Wide Receivers und Kick Returner herum.
Die Special Teams gehören zu den verlässlicheren in der NFL und sollten keinen allzu großen Grund zur Besorgnis bieten. Bleibt also selbiges Lied wie immer: Die Patriots werden punkten und hoffen, dass die Defense gerade ausreichend Druck und Interceptions hinkriegt, damit es zum Sieg reicht. Im Notfall wird Belichick ein Karnickel zücken und, wie bei der bahnbrechenden Entscheidung, eine Führung in der letzten Minute der Superbowl freiwillig aufzugeben, die Siegchancen der Pats verbessern. Gekoppelt mit einem eher einfachen Schedule gibt es keinen Grund, die Patriots nicht wieder irgendwo ganz vorne auf dem Zettel der Titelfavoriten zu behalten.

New York Jets

Die New York Jets… erstaunlich, wie es eine Franchise immer wieder schafft, die Fallhöhe immer noch weiter nach oben zu schrauben. Nach einer turbulenten Saison 2011 ohne Playoffs, aber mit mächtig hausinternem Terz – inklusive Fast-Abschuss von Quarterback und Head Coach – folgte die nächste Eskalationsstufe in der Offseason, als man erst Star-QB Peyton Manning bezirzte, dann QB Mark Sanchez eine massive Vertragsaufbesserung gab, nur um ihm am Ende den Geister scheidenden QB Tim Tebow in den Rücken zu setzen, und dann legte man zu Beginn des Trainingslagers gleich mit einer Massenschlägerei mit über 20 Beteiligten los.
Für Spannung ist also gesorgt. Sanchez gilt nicht wirklich als einer, der allzu viel Druck ohne weiteres aushält, und weiß nun in der Medienmetropole New York City, eh schon angeknockt, auch noch Tebow hinter sich im Depth Chart. Zwei Fehler, und alle Welt kräht nach jenem Heilsbringer, der vergangenes Jahr mit völlig unorthodoxem Spiel die schwachen Denver Broncos in die Playoffs wurstelte. Gesichert scheint nur: Sanchez wird die Saison als Starter eröffnen, und dahinter wird Tebow erstmal von Wildcat-Freak Tony Sparano (dem OffCoord) ein paar Spezial-Formationen einlernen. Wie das Thema in Woche 5 aussieht, getraut sich kein Mensch zu prognostizieren.
Bei den Running Backs, der Grundlage dieser Offense, ist nach dem Rücktritt des legendären RB LaDainian Tomlinson nur noch die Combo Shonn Greene/Bilal Powell/Joe McKnight vorhanden, bei den Wide Receivers wird man schauen, wie lange Skandalnudel Santonio Holmes bis zum nächsten Aussetzer brauchen wird, und wie der hoch talentierte, aber als völlig ungeschliffen geltende Rookie Stephen Hill sich machen wird. Die Offensive Line ist auf alle Fälle prima: LT D’Brickashaw Ferguson und C Nick Mangold sind fast sichere Pro Bowler, womit allein der jüngst im Trade geholte RT Jason Smith als potenzieller Schwachpunkt bleibt.
Der Grund, weshalb es trotzdem zu den Playoffs reichen könnte, ist schnell ausgemacht: Die Defense ist weiterhin exzellent. Die vergangene Saison war zwar im Vergleich zu den Vorjahren etwas enttäuschend, eine genauere statistische Analyse lässt jedoch auf außerordentliches Pech schließen. Rex Ryans Abwehr wird aber solange Leistung bringen, solange CB Darrelle Revis auf dem Feld steht. Das ist aktuell aufgrund eines Vertragsstreits noch nicht 100%ig gesichert, aber Revis wird wohl auflaufen. Und er ist der Schlüsselspieler.
Ryan kann sich mit verschiedensten Formationen erlauben, das Defensive Backfield blank stehen zu lassen, weil er Revis ohne weiteres die besten Wide Receivers der Liga im Alleingang anvertrauen kann. So bleibt genügend Spielermaterial, um mit Personalrochaden an der Line of Scrimmage Unruhe zu stiften. Für die Front-Seven wurde mit DE Quinton Coples ein neuer Rookie geholt, der sich zu den beiden Tackles Muhammad Wilkerson/Sione Pouha gesellen soll, bei den Linebackers vertraut man weiterhin auf die Dienste der Routiniers Bart Scott/David Harris sowie des aufkommenden OLBs Aaron Maybin, im Backfield laufen neben Revis noch nicht zu unterschätzende Leute wie CB Antonio Cromartie, S LaRon Landry oder CB Kyle Wilson herum.
Fazit: Wenn sich die Jets zusammengerauft haben, werden sie im Playoffrennen ein Wörtchen mitreden. Die Liga lacht über Ryans Haufen. Aber sie lacht vielleicht nicht allzu lange. So viele Fragezeichen es im Angriff und bezüglich Mannschaftschemie gibt, so famos kann die Defense, wenn es sein muss, aufgeigen.

Miami Dolphins

Auch so ein schlafender Riese seit Jahren, und ein chaotischer schlafender Riese, seit Stephen Ross die Franchise aufgekauft hat. Kurzfassung: Ross versucht verzweifelt, markante Stars nach Miami zu locken, um eine apathische Fanbasis zum Leben zu erwecken. Dabei gehen mehr Schüsse daneben als nicht. Nach Jahren des Herumeierns wurde nun der Stecker gezogen und mit Head Coach Joe Philbin, OffCoord Mike Sherman und QB Ryan Tannehill die drei neuen Frontmänner eingekauft.
Es dürfte ein lustiges Spielchen werden. Sherman und Tannehill kennen sich vom College von Texas A&M, aber Tannehill hat noch keine zwei Jahre Erfahrung als Quarterback und spielte am College zuvor Wide Receiver. Man sagt ihm alle athletischen Voraussetzungen nach, aber solch rohe Rookies waren in der Vergangenheit oft nur allzu schnell verbrannt. Tannehills Backup ist der blasse Matt Moore, und irgendwo dahinter dürfte, wenn fit, auch noch der QB-Brocken David Garrard bereitstehen.
Tannehill sollte entgegenkommen, dass Cheftrainer Philbin ein Freund der Spread-Offense ist, die schon in Green Bay bärenstark funktionierte. Tannehill sollte aber nicht entgegenkommen, dass Miami abseits von Slot-WR Davone Bess ohne ernsthaften WR aufläuft und mit WR Brandon Marshall die klare #1 nach Chicago verkauft wurde. Immerhin soll die Offensive Line super sein, und bei den Running Backs gibt es auch zwei gute Leute: RB Reggie Bush ist kein Arbeitstier, aber eine Waffe als Ballfänger, über RB Daniel Thomas wird seit Monaten geschwärmt und der „Breaker“, Rookie Lamar Miller von der University of Miami, ist auch vielversprechend.
Die Defense war in den vergangenen Jahren das kleinste Problem der Dolphins. Diesmal gibt es aber Fragezeichen, weil der eigentlich exzellente DefCoord Mike Nolan abgeschoben wurde und mit Nachfolger Kevin Coyle eine Unbekannte antritt. Zu allem Überfluss kündigte Coyle dann auch noch eine Systemumstellung von 3-4 auf 4-3 um. 
Spieler wären jedenfalls in Hülle und Fülle vorhanden: DE Cameron Wake gilt als Passrusher vom obersten Regal, und seine Nebenleute in der Mitte der Line sind mit DT Paul Soliai, Randy Starks und Jared Odrick durchaus fähige Leute. Die Linebackers um Karlos Dansby, Kevin Burnett und Koa Misi sind auch überdurchschnittlich, und im Defensive Backfield decken um CB Sean Smith herum auch ganz verlässliche Leute.
Das Material passt also größtenteils. Nur die Quarterback-Frage bleibt offen. Schlägt Novize Tannehill voll ein, haben wir ein Playoffteam in spe. Aber so recht mag daran niemand glauben – zu unterkühlt ist der Kick der Dolphins in den letzten Jahren im sonnigen Südflorida meistens gewesen. Wird wohl auf das gleiche „Aufbaujahr“ wie in den letzten zirka fünf Jahren hinauslaufen.

Buffalo Bills

Bleibt das Mauerblümchen aus Buffalo, das seit über einem Jahrzehnt keine NFL-Postseason mehr gesehen hat und sich unter Head Coach Chan Gailey den Ruf angelacht hat, gerne mal eine Saisonhälfte ganz ordentlich zu spielen, um sich in der anderen mehr als nur ein Päuschen zu gönnen. So auch letztes Jahr: Fünf Siege in sieben Spielen zum Start, um dann mit 1-8 abzuschließen.
Als Hauptschuldigen hat man dabei QB Ryan Fitzpatrick ausgemacht, der nach einer teuren Vertragsverlängerung mitten in der Saison einen plötzlichen Leistungsabfall erlebte. Bei genauerer Betrachtung waren die Bills aber nie eine wirklich dominante Mannschaft gewesen und profitierten nur von schier unglaublichem Glück mit Turnovers in Saisonhälfte eins.
Sei’s drum. Fitzpatrick steht unter Druck, muss in dieser Saison liefern. Der bärtige Quarterback gehört nicht zur Elite-Klasse und hatte sich vor seinem Anheuern in Buffalo recht erfolglos als Wandervogel in der NFL verdingt. Man sagt ihm aber bei allen physischen Limits hohe Spielintelligenz nach: Ein Verwalter, kein Magier. Die Zauberer sind eher andere. Die Running Backs zum Beispiel: Der harte Arbeiter Fred Jackson (rekonvaleszent) und der spritzige C.J. Spiller. Dünner wird die Luft schon im Receiving-Corp, wo einzig Fitzpatricks Buddy WR Stevie Johnson höheren Ansprüchen genügt.
Die Offensive Line bleibt ein Mysterium: Die Einzelspieler sind eher unbekannt, aber in ihrer Gesamtheit zählt man sie mittlerweile zum ligaweit obersten Drittel (zum Beispiel aufgrund der geringsten Sack-Rate ligaweit). Für 2012 wird der als „Draft-Steal“ gefeierte Rookie Cordy Glenn seine Einsatzzeiten als neuer Left Tackle bekommen – keine uninteressante Konstellation.
Der interessantere Mannschaftsteil dürfte diesmal sowieso die Defense sein, auf die man sich in der Offseason konzentrierte. Bitteschön: An #10 im NFL-Draft CB Stephon Gilmore geholt, dazu via Free Agency DE Mario Williams und DE Mark Anderson. Der DefCoord ist auch neu und ein Altbekannter: Pornoschnäuzer Dave Wannstedt (ehemals Cheftrainer von Miami), der auf humorlose 4-3 Defenses steht.
Wannstedt kann nun vor allem in der Defensive Line auf großartiges Personal bauen: Neben dem teuren Mario spielt noch ein anderer Williams mit: Kyle Williams, den immer mehr Pundits für ein verkanntes Genie halten, den unbekanntesten All-Pro der National Football League – aber ein Mann, der nach einer schweren Verletzung wieder um den Anschluss wird kämpfen müssen. Neben Kyle und Mario Williams wird DT Marcel Dareus den dritten Ankermann geben, ein Mann im zweiten Jahr, dem man eine brillante Zukunft voraussagt. Dazu gesellen sich Pass Rusher wie Chris Kelsay oder Mark Anderson, die dafür sorgen, dass man Buffalos Front-Four bereits zu den besseren in der Liga zählt.
Die Linebacker-Crew ist mit alten Recken wie Nick Barnett und jungen Hüpfern wie Kelvin Sheppard oder Rookie Nigel Bradham schön bunt durchgemischt, die Secondary soll sich um Leute wie CB Leodis McKelvin oder S George Wilson in der jüngeren Vergangenheit auch schön gesteigert haben, wird aber so schnell nicht mehr das Turnover-Festival der ersten Saisonhälfte von 2011 wiederholen können. Mit besagtem Gilmore, sowie den Safetys Da’Norris Searcy und Aaron Williams ist bereits junges Nachwuchspotenzial verpflichtet.
Die Special Teams sind im windigen Buffalo nie unentscheidend, aber vor dieser Saison gibt es eine große Unbekannte: Wer wird kicken? Der Routinier Rian Lindell steht vor dem Abschuss, während sich der junge John Potter stark aufzudrängen scheint.
Riecht nach einer spannenden Saison. Buffalos Quarterback Fitzpatrick wird über vieles entscheiden (oder früher oder später durch den grundsoliden Backup Tarvaris Jackson ersetzt werden), aber wenn die Defense in etwa das hält, was man sich von ihr verspricht, dürfte diese Mannschaft nicht Lichtjahre von den Playoffs entfernt sein, vor allem nicht mit der nicht überzeugenden Konkurrenz Jets/Dolphins sowie einer schwachen AFC South im Hinterkopf.
Thomas Psaier (23) ist der Betreiber des Blogs sidelinereporter.wordpress.com, Südtiroler, hauptberuflich Student der Logistik, nebenberuflich Lokalpolitiker, Musikant, Tellerwäscher und „allgemeingebildeter“ Sportfan.
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