Der Osten Berlins ist ein hartes Pflaster. Für Footballer ganz besonders. In der ganzen Stadt war am Spieltag nichts davon zu erkennen, dass am Prenzlauer Berg ein europäisches Football-Halbfinale stattfinden wird. Football? Sie meinen American Football? „Nö, kenne ich nicht, wusste ich nicht, wie heißen die?“ „Berlin Adler“, erkläre ich dem Taxifahrer, dem Hotelportier, dem Kioskbesitzer, der REWE-Kassiererin und der Security am Alexanderplatz. Die Karl-Marx-Allee runter kennt man sie dann doch. Im „Alberts“ brunchen die Adler, das Lokal ist einer ihrer Partner. Davor ein Auto, an dessen Seitenfenster ein Schwarz-Weiß kopiertes A4-Plakat: Eurobowl-Halbfinale. Doch noch einen Hinweis gefunden.
„Manchmal können wir Medienkooperationen mit Radiostationen anleiern, aber klassische  Werbung können wir uns eigentlich nicht leisten. Dazu ist die Sponsorensituation in der Stadt zu angespannt. Hier regieren Fußball, Eishockey und Handball“, erklärt Tim Friedrich, Sohn der Vizepräsidentin Gitta und Bruder des Spielers Oliver. Die Friedrichs sind allesamt im Verein engagiert. „Man sollte meinen in einer großen Stadt wie Berlin tut man sich als Footballklub leichter, aber das Gegenteil ist der Fall. In Städten mit 100.000 bis 300.000 Einwohner geht in Wahrheit mehr bei den Sponsoren, weil der Konkurrenzkampf nicht so brutal ist.“ 
»100 Prozent Berlin« ist auf den Fan-Shirts der Adler zu lesen, wohl ein Fingerzeig auf die vielen Spielernomaden in der GFL. „Es kommt in der deutschen Liga häufig vor, dass Spieler abgeworben werden und vorübergehend bei anderen Klubs spielen. Da ist zumeist natürlich auch Geld im Spiel. Wir haben der Philosophie weitgehend abgeschworen, holen natürlich gute US-Imports, verstehen uns ansonsten eben aber als Berliner Klub. Eure A-Klasse-Regelung finden wir daher eigentlich sehr gut, der GFL würde das nicht schaden“, so Friedrich über das GFL-Söldnertum. 
Ein Euro Bowl-Finale kann man sich nicht leisten, aber vielleicht bekommt man bis Dienstag eine Kooperation mit dem German-Bowl-Ausrichter Magdeburg hin, träumt ihr Präsident Frank Metscher von einem Endspiel auf deutschem Boden. Er kennt aber die Realität und die wird lauten: Tivoli-Stadion. Die Entscheidung des europäischen Verbandes ist Formsache, denn den zu erwarteten Swarco-Geldsegen lässt sich die EFAF mit Sicherheit nicht entgehen. „Vielleicht ist dann wenigstens mehr Kohle im Pott, wenn wir auch eine Bewerbung auf die Beine stellen können“, hofft Metscher, der von den Raiders im Übrigen überraschend wenig hält. Und das war schon so, bevor sie den Adlern mit Geld den halben Coaching Staff und die Schlüsselspieler an den Inn entführten. 
Die Adler, nicht „die Deutschen“
„Ich wurde am Tivoli wie ein Aussätziger behandelt“, führt Metscher aus. „Niemand sprach uns mit Namen an. Wir waren für die Raiders nicht die Berlin Adler, sondern bloß „die Deutschen“. Mensch, das ist doch ein Klubbewerb der Amateure und kein Nationenkampf von Profis, die sich böse Blicke zuwerfen müssen. Das hätte auch der Platzsprecher wissen können, dass wir die Adler sind. Ich habe ihm zugehört. Er erwähnte während des ganzen Spiels nicht einmal unseren Namen. Offenbar hat man in Tirol ein generelles Problem mit uns Deutschen. Mir wollte man dann noch für viel Geld ein VIP Ticket verkaufen. Auf die Idee den Präsidenten des Gegners einzuladen, auf die kamen sie gar nicht.“
Die Aussagen Metschers verwundern Raiders Manager Daniel Dieplinger. „Ich kann mich an keine Beschwerde der Adler wegen mangelnder Gastfreundschaft erinnern. Wir hatten damals mit Vizepräsidentin Friedrich Kontakt und da schien mir alles in Ordnung. Man kann gerne die Gastteams am Tivoli fragen, wie sie sich von uns behandelt fühlten. Ich denke da wird es kaum Beschwerden geben. Auch bezüglich VIP Ticktes kooperieren wir natürlich mit den Vorständen des Gegners.“, so Dieplinger.
Metscher will das auch nicht auf Österreich allgemein bezogen wissen. „Beim Finale in Wien war das dann ganz anders. Wir wurden dort von allen mit Respekt behandelt und daher hätte ich persönlich lieber in Wien gespielt als in Innsbruck. Aber die Spieler, die wollten natürlich alle zu Shuan.“, so Metscher, der augenzwinkernd nach wirft: „Um es ihm zu zeigen.“
Shuan Fatah, jener Trainer der die Adler zur deutschen und europäischen Klubmeisterschaft führte ist bei den Berlinern Hassliebe-Objekt Nummer eins. „Wir verstehen, dass Shuan und der ganze Tross nach Innsbruck abgewandert ist“, zeigt sich Tim Friedrich verständnisvoll. „Wir können da finanziell nicht mithalten und es wäre dumm von Shuan gewesen, hätte er dazu Nein gesagt“. Auch Metscher versteht das Warum, das Wie dann aber schon weniger. „Wir hatten gerade den German Bowl verloren und Shuan überbrachte die Nachricht im Abschluss Huddle. Das war ein sehr ungünstiger Zeitpunkt und hat der Mannschaft noch einen zweiten Tiefschlag kurz nach dem ersten versetzt.“ 
Auch die Fans schwanken zwischen Verehrung und Häme für ihren ehemaligen Trainer. »Jetzt machen wir Shuan arbeitslos – Sha la la lala!«. Derlei Sprüche vernahm man nach dem Sieg über Graz im Friedrich-Ludwig-Jahn Sportpark. Ist das nicht gemein? „Nein, denn notfalls bekommt er ja bei uns wieder einen Job. Als Assistent von Coach Likins“, so einer der Fans, bevor er in die Berliner Nacht verschwand.
Wunder von der Spree
Dass die Berliner als Titelverteidiger nach dem Sieg über Graz von einem Wunder sprachen, das hat nicht nur mit dieser unglaublichen zweiten Halbzeit zu tun. „Im Vorjahr waren viele Spieler auf ihrem Leistungshöhepunkt und Shuan hatte das klare Ziel vor Augen mit ihnen die Euro Bowl nach Berlin zu holen“, erklärt Metscher. „Das bedeutet nicht, dass wir die Schüssel 2011 nicht gewinnen wollen, sicher doch wollen wir sie, aber es erwartet von der Mannschaft in dem Jahr keiner. Wir haben nach Shuan mit einer Umstrukturierung begonnen und viele junge, neue Gesichter nun im Team. Vielleicht ist dieses Mal ja genau diese Unbekümmertheit, die uns wieder ins Endspiel gebracht hat. Und vielleicht bleibt der Pokal am Ende sogar in Berlin. Wer weiß das schon im Football.“
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